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Billy Talent - Cut The Curtains

Autor: Dennis Plauk aus VISIONS Nr. 159

Der spielt nicht, der will beißen. BILLY TALENT lassen einen Kraftprotz von zweitem Album auf die Welt los. Unsere Lieblingskanadier haben machen wenig neu, aber vieles noch ein Stückchen besser. Ob das geht? Wie das geht!

Sie sieht noch etwas nackt aus. Weiß mit schwarzer Schrift und ohne Bild. Ist nicht hübsch, muss sie auch gar nicht sein. Was drin steckt, zählt und das, was drauf steht. "Billy Talent II". Vielleicht gehört dieser Band 2006 – das wissen wir dann im Rückblick; wir sind aber optimistisch –, jetzt gehört ihr erstmal diese Redaktion. Man muss gut aufpassen auf so ein Promo-Vorab-Album. Gerade noch da, nun schon wieder fort. Kaffeeholen kann fatal sein, wenn die neue Billy Talent auf dem Schreibtisch liegt. Der Kollege meint es ja nicht böse. Jetzt gerade hört man ihn im Büro am anderen Flurende jubeln. "Wie geil die sind!" Er möge doch die Tür bitte ein bisschen weiter öffnen, kommt's von gegenüber, so hätten alle was davon. Zwei Tage drauf in Toronto: Billy Talent sagen Hallo. "Hey, willkommen in Kanada! Hattest du einen guten Flug, magst du die Stadt, und bevor du darauf antwortest: Gefällt dir unsere neue Platte? Könnt ihr was damit anfangen?" Wenn der wüsste. Benjamin Kowalewicz schiebt die Sonnenbrille ein Stück die Stirn hoch und sieht uns mit prüfenden Augen an. Wir haben zu lange mit der Antwort gewartet. Weil wir das Richtige sagen wollten und kurz darüber nachgedacht haben, ob es nicht doch glaubwürdiger klingt, ein bisschen Kritik mit unter zu mischen. Außerdem schießt man so ein Rundumlob doch nicht mit links aus der Hüfte. "Ja, ist schon toll", stammeln wir. Grandios gelöst. "schon toll" für das vielleicht frischste Punkrockalbum des Jahres, mit der sich die ganz sicher frischste Punkrockband der Welt nach fast drei Jahren abermals um Fan- und Kritikerbeifall bewirbt. Wird sie bekommen, versprochen. Weil sie sich hier und da, aber nicht überall Neues getraut hat. Billy Talent – das ist die erste und wichtigste Erkenntnis nach einigen Durchläufen "II" – sind nicht auf Distanz zu ihrem Debüt gegangen. Das Spiel mit der Dynamik, das Laut und Nicht-so-laut, die Auf und Abs der Stimme Ben Kowalewiczs, das giftig brodelnde Gitarrenwerk Ian D'Sas, die wuchtige Rhythmik von Bassist Jon Gallant und Drummer Aaron Solowoniuk – wer Billy Talent für all das mochte, muss sie jetzt lieben. Fünf repräsentative Songeindrücke, um die Neugier nicht zu stillen, aber sie zu lindern...
Devil In A Midnight Mass: Der Einstieg ist ein Schrei von Ben Kowalewicz, und er klingt nach Hair-Metal. Dann aber furchen sich Industrial-schwere Gitarren durch die Strophe zum Refrain. Die erste Single ist ein Song über den Pädophilie-Skandal eines Bostoner Priesters. "Silent nights for the rest of my life." Schon klar, Ruhe... Red Flag: Den aufmerksamen Myspace-Surfern längst als Gratis-Download-Demo vertraut. Zweites Stück, zweiter supergriffiger Refrain. Ihr Leser, sollte einer von euch demnächst als Drill-Instructor bei der Army anheuern – hier ist euer Song! Garantiert Call-and-Response-tauglich. Die Bridge ist ein Kunststück à la "This Is How It Goes".
Worker Bees: Vorne pocht eine dominant-monotone Bassline, hinten singen Chöre. Text und Musik geben sich die Hand. Viertel vor perfekt. Der Marsch-Vibe findet sich in der Booklet-Illustration wieder: düstere Visionen einer Truppenparade, das apokalyptische Szenario einer Diktatur. Und wie schön schrill der Ben jetzt wieder keift! Fallen Leaves stellt man sich am besten so vor: Geigenpizzicato auf verzerrten E-Gitarren. So wird man in den Song gezogen und landet in einem dieser Refrains, die du abends hörst und drei Tage später beim Aufwachen immer noch im Ohr hast. Billy Talent tun zwei, drei vorsichtige Schritte Richtung Melancholie. Gefühlte Single 4/10. Surrender: das Gegenstück zu "Nothing To Lose" auf "Billy Talent I", die Quasi-Ballade. Schöner zweistimmiger Gesang zwischen Kowalewicz und D'sa. "Surrender yourself to me." Der Song kocht sich langsam empor und wagt den völligen Ausbruch doch nicht ganz. Aber dafür sind ja schon genug andere zuständig...

Aus diesen wie den übrigen acht Stücken spricht dasselbe: 2006 sind Billy Talent bessere Songwriter, als sie es vor Beginn ihrer Touren um die Welt waren. "Macht die Erfahrung", sagt Ian D'Sa und schließt uns, zurück in Toronto, die Tür zum Proberaum auf, hinter der Beatles-Poster und... Hups, da hätten wir auch schon das Längenlimit für diesen Teaser erreicht. Schließlich soll noch was übrig bleiben fürs nächste Heft. Dort hätten wir dann anzubieten: eine Fahrt im Van mit Billy Talent durch Toronto, Heimspiele vor ausverkauftem Club und Groupie-Hysterie im Radio inklusive. Ihr seht schon – wir brauchen mehr Seiten dazu als diese hier.

 
 
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